Stellungnahme zum Entwurf “Zielnetz 2040”
Falsche Fokussierung auf möglichst teure, möglichst lange NICHT verkehrswirksame Projekte, die primär für die Baukonzerne lukrativ sind
Das mit etwa 26 Milliarden Euro an prognostizierten Kosten zusammengestellte Zielnetz-Konzept ist viel zu stark auf möglichst teure und extrem langfristige Projekte konzentriert, die aus Sicht der Bauwirtschaft zwar nützlich (weil lukrativ), jedoch verkehrspolitisch fragwürdig, weil nachrangig zu bewerten sind. Dies deshalb, weil die Verkehrswirksamkeit viel zu weit in der Ferne liegt und eine Garantie für eine Finanzierung angesichts von Inflation, Parteipolitik und Staatsverschuldung völlig in der Luft hängt. Es ist so gut wie sicher, dass künftige Regierungen ein auf extrem hochpreisige Projekte fokussiertes Gesamtkonzept großteils verwerfen werden.
Offen gelassen wird die Frage, ob die Baumaßnahmen im Osten Österreichs mit entsprechender Zunahme des Zugverkehrs vom einst unter Stadtrat Schicker und diversen ständig wechselnden Verkehrsministern verkleinerten Hauptbahnhofprojekt (eine Ebene mit 10 Gleisen statt zwei Ebenen mit je acht Gleisen) überhaupt verkraftet werden kann. Der Hauptbahnhof stößt jetzt bereits zeitweise an seine Kapazitätsgrenzen, die damalige Verkleinerung im Rahmen der Planungsmodifizierung ist ein verkehrspolitischer Skandal, dessen Auswirkungen uns noch Jahrzehnte lang begleiten und belasten wird.
Die Fokussierung auf Hochgeschwindigkeitsstrecken als Argument, dass Menschen nur dann auf die Bahn umsteigen, wenn sie ganz schnell am Ziel sind, ist falsch. Wie auch von Prof. Knoflacher immer wieder dargelegt, führen Hochgeschwindigkeitsstrecken im Fernverkehr dazu, dass Pendlerfahrzeiten gleich lang sind, aber die Distanzen des Einzugsbereich der Pendler steigt. Bisher kamen Tagespendler aus Wiener Neustadt und teilweise auch aus dem Raum bis Gloggnitz. Mit dem Semmering-Basistunnel ruinieren wir nicht nur den Wasserhaushalt der Landwirtschaft im Semmeringgebiet, sondern wir holen uns dann halt Tagespendler aus dem Raum der Mur-Mürz-Furche nach Wien. Insgesamt eine klimaschädliche Strategie, weil wir nicht eine regionale Wirtschaft fördern, sondern irrwitzig weite Pendlerwege mit hohem Energieverbrauch.
Es sei auch angemerkt, dass sich die Hochgeschwindigkeitsstrecken ähnliche zerstörerisch auf die Landschaft auswirken wie die “Hochgeschwindigkeits”-Autobahnen: Eine Kanalsierung zwischen Lärmschutzwänden, die für Menschen und Fauna eine undurchdringliche Sperre darstellt.
Stattdessen sollten die Strecken des B- und C-Netzes soweit saniert und instand gehalten werden, dass dort attraktive Fahrgeschwindigkeiten und Fahrzeiten erzielt werden. Dies geht rasch, ist kostengünstig, und es ermöglicht die Wiedererlangung einer Breitenwirkung des Schienenverkehrs.
Fehlende Plausibilität durch mangelnde Evaluierung bisheriger Maßnahmen
Ein Prognosemodell ist nur so gut wie seine oft willkürlichen Annahmen und Anfangsparameter. Hier fehlt der Beweis anhand von bereits fertig gestellten Projekten (Bauprojekten, aber VOR ALLEM auch betrieblichen und technischen Verbesserungen), inwieweit die hier fast nur auf Bauprojekte fokussierten enormen Steuergeldausgaben wirklich sinnvoller sind im Vergleich zu Maßnahmen, die rasch verkehrswirksam und kostengünstig sind, hier aber fast völlig fehlen (offenbar weil man nur das “Zielnetz” betrachtet, mit der Alternative “Wir bauen, oder wir bauen nicht”, anstatt eine Palette an Maßnahmen in ihrer Wirkung zu vergleichen.
Beispiel für die Notwendigkeit einer Evaluierung:
Die dringende Notwendigkeit einer Evaluierung bisheriger Baumaßnahmen zeigt sich beispielsweise anhand der Verbindungsbahn (Meidling-Speising-Hütteldorf), wo der Wiener Bevölkerung vom damaligen Verkehrsministerium und von den ÖBB die Garantie gegeben wurde, dass mit Fertigstellung des Lainzer Tunnels (“Wildschweintunnels”) sogleich ein 15-Minuten-Takt der dortigen S-Bahn möglich sei. Nun wird behauptet, man habe sich geirrt, es müsse weit mehr als ein Jahr die gesamte Strecke stillgelegt werden, alles in Hochlage versetzt werden, damit die PKWs nicht zu lange vor Schranken stehen, und irgendwann vielleicht 2030 könnte es sein, dass ein Viertelstundentakt möglich sei. –
Nächstes Beispiel, warum Evaluierungen nötig sind:
Den Menschen in der Donaustadt wiederum wurde versprochen, dass mit Inbetriebnahme des in den 1990er Jahren geplanten Ausbaues vom Marchegger Ast sodann ein Viertelstundentakt der S-Bahn (S80) bis Raasdorf kommen werde. Nun sagt mir die Pressestelle der ÖBB (Telefonat und Schriftverkehr 2023), dass es ein Missbrauch des Hauptbahnhofs sei (weil “Durchgangsbahnhof”), wenn (während des Umbaus der Verbindungsbahn Speising) jede zweite S80 (Viertelstundentakt im Ost-Ast) dort wenden würde, und man habe dort kein Wendegleis (weil beim Bau vergessen?), gleiches gelte für Meidling (wo es ein Wendegleis gibt).
Am Ostast der S80 wird nun für 2040 eine viergleisige Donauquerung angedacht, obwohl mit der Errichtung eines vierten Fahrgleises im Bereich Stadlau bereits jetzt der Viertelstundentakt möglich wäre, und nicht erst 2040. Dies nur als Beispiel, dass eine Evaluierung bisheriger Großbauideen notwendig ist (beispielsweise auch die Frage, ob die Planungsverkleinerung des Wiener Hauptbahnhofs nicht ein grauenhafter Fehler war), bevor hier 26 oder mehr Milliarden Euro (es werden garantiert mehr!) in Baukonzerne gestopft werden.
Prof. Knoflacher, als Verkehrsexperte wesentlich kompetenter als ich als Umweltwissenschaftler, hat einige Argumente, die in diese Richtung zielen, in noch wesentlich besseren Worten in seiner Stellungnahme dargelegt.
Fehlende Breitenwirkung des Konzepts – es fehlt im Konzept weitgehend eine verbesserte Flächenversorgung mittels Schienenanbindung
Das Konzept “Zielnetz 2040” beinhaltet zwar auch einige Verbesserungen am B-Netz (“Regionalbahnen”), ist jedoch viel zu sehr auf eine Maximierung des Fernverkehrs auf Hauptstrecken fokussiert. Die unglaublich wichtige Erhaltung der Nebenbahnen (C-Netz), die sehr kostengünstige Instandhaltung bzw. Instandsetzung von deren Gleiskörpern (was steigende Fahrgeschwindigkeit ermöglicht) bringt zwar nicht so viele tausende zusätzliche Fahrgäste wie die Fernverkehrsstrecken (was hier ja offenbar der einzige Zielparameter zu sein scheint, der relevant ist), jedoch ist eine Schienenanbindung in die Fläche für eine funktionierende Bahn dringend nötig. Wenn Menschen erst einmal mit dem PKW weit bis zur Hauptstrecke fahren müssen, ist die Chance groß, dass sie dann auf der Autobahn gleich weiter ans Ziel fahren.
Zum Thema Güterverkehr
Auf Seite 101 im 144-seitigen Dokument wird von Engpässen beim Güterverkehr südlich von Wien geschrieben. Vorgeschlagen wird der Bau von neuen Streckengleisen und Verbindungsschleifen. Das ist nicht prinzipiell schlecht, wird aber erst nach sehr langen Behördenverfahren verkehrswirksam.
Im gesamten Dokument wird jedoch nirgends davon gesprochen, dass die Politik und die ÖBB fast nichts gegen den laufenden Abbau von Anschlussbahnen zu Gewerbearealen unternehmen! Man kann nicht nur Aufträge für die Bauwirtschaft (neue Gleise) planen, wenn andere Glieder der Kette zerbrechen, wenn also der Anreiz für Firmen, Bahnverladegleise zu errichten oder zu bewahren, nicht existiert. Ich weiß schon, der Klima- und Energiefonds tut ein ganz klein bissl etwas. Aber die ÖBB interessieren sich nur für lukrative Ganzzüge von Großkonzernen, weil sie ja in den kapitalismus-geprägten 1990er Jahren, nach der Filetierung, den Auftrag bekamen, “betriebswirtschaftlich” zu handeln.
Generell fehlt im Konzept Zielnetz 2040 der Blick fürs Ganze:
Beispiele 1 und 2:
Kürzlich wurde in Wien-Donaustadt zB das große bisherige OPEL-Areal in Wien-Aspern vom Eisenbahnnetz abgetrennt, ohne dass klar ist, ob dort künftig ein Bedarf für schienengebundenen Gütertransport existieren wird. Ähnliches ist in ganz Ostösterreich zu sehen, wo Ladegleise von den ÖBB abgebaut werden. In ganz Wien und auch anderswo werden unzählige Frachtenbahnhöfe aufgelassen, weil die ÖBB kein Interesse an personalintensiverem Gütertransport hat und offenbar nur mehr Ganzzüge von Großkonzernen als relevant betrachtet. Ich verweise hier zB auch auf die komplette Verlagerung des landwirtschaftlichen Rübentransportverkehrs (insbesondere Marchfeld und Weinviertel) von der Schiene auf LKWs. Noch vor rund 15 Jahren gab es zur Erntezeit in halb Niederösterreich unzählige “Rübenzüge”. Der Globalisierungsdruck, die Zentralisierung der Zuckerfabriken auf einen Standort, und das Desinteresse von ÖBB und AGRANA haben riesige Transportmengen von der Schiene auf die Straße verlagert.
Beispiel 3:
Sowohl die holzverarbeitende Industrie im Raum Zwettl, als auch die Holzlieferanten in Tschechien waren bereit, den Holztransport künftig verstärkt über die Schiene abzuwickeln (Thayatalbahn). Die Politik (Bund und Land, hier vor allem die ÖVP von Erwin Pröll) und auch die ÖBB haben dieses Projekt zerstört, riesige Holzmengen werden deshalb derzeit und noch auf lange Sicht umwelt- und klimaschädlich von LKW-Kolonnen durch NÖ transportiert, NÖ will nun teure Umfahrungen bauen, weil man die noch vorhandenen Bahntrasse in einen Radweg umgebaut hat. Solch eine hirnverbrannte Verkehrspolitik gehört bekämpft, und da hilft es nicht, wenn das Zielnetz-Konzept von teuren, unfinanzierbaren Hochgeschwindigkeitsstrecken träumt, aber die rasch und kostengünstig machbaren Maßnahmen ignoriert. Das gesamte Waldviertel kommt im Zielnetz-Konzept praktisch nicht vor, bis auf kleine Mini-Maßnahmen (siehe unten).
Beispiel 4:
Ähnliches gilt für den Gesteinstransport des Steinbruchs Loja nahe Persenbeug, nördlich der Donau. Die ÖBB haben die Bahnstrecke, desinteressiert und mit Zustimmung des Ministeriums, an das Land NÖ verkauft (das war noch vor der Gewessler-Ära, sei hinzugefügt), und NÖ hat den Bahnverkehr stillgelegt, sodass nun gigantische Gesteinsmengen (künftig übrigens noch mehr wegen Steinbruchausweitung) umwelt- und klimaschädlich per LKW durch die Gegend gekarrt werden. Weil die Politik (hier störrische Bürgermeister und das Land NÖ) unfähig ist, wird nun ein Gesteinsförderband über die Donau geplant, dessen optische Monströsität die frühere Schönheit der Freizeitregion sicher bereichert (Achtung, Ironie…). Der Bund könnte die Strecke zurückkaufen, das Gleis wäre rasch wieder neu aufgebaut, und der Fahrradtourismus entlang der Donau würde ebenfalls profitieren (anstatt dass Fahrräder per PKW transportiert werden).
Weitere Anmerkungen zum Dokument “Zielnetz 2040, 144 Seiten”:
Seite 102:
Das aufwändige Projekt eines außerordentlich teuren Streckenneubaus von Wien-Hbf zum Flughafen Schwechat ist ein weiteres Beispiel für “möglichst teuer und erst spät verkehrswirksam”, lukrativ für die Bauwirtschaft, und es enthält originellerweise, soweit auf der ungenauen Grafik erkennbar, ein Vorbeifahren an der Stadt Schwechat. Offenbar zielt das “Klimaministerium” hier darauf ab, den Flugverkehr zu maximieren und klimaschädliche Geschäftsflugreisen zu fördern. Denn dieser Streckenneubau bringt dem Regionalverkehr nur wenig (eventuell könnte man die S7 verdichten, aber bereits bei der Verbindungsbahn und auf der S50 gab es bekanntlich kaum oder keine Verbesserungen nach Inbetriebnahme der Parallelstrecke, siehe oben, Thema Evaluierung). Der Streckenneubau hilft primär dem Zubringertransport für einen massiv ansteigenden Flugverkehr, der hiermit vom Klimaministerium offenbar begrüßt und gefördert wird. Hier fehlt jeglicher Blick aufs Ganze. (siehe auch die PK dieser Tage zum Flughafen-Jubiläum, wo exzessive Steigerung der Starts und Landungen angestrebt wird)
Ebenso fehlgeleitet und unsinnig ist der Wunsch, den Flugverkehr ab Bratislava zu fördern und als teuren Streckenneubau eine “Flughafenspange” zwischen Flughafen Schwechat und Bruck an der Leitha zu bauen, also eine Hochgeschwindigkeits-Direktverbindung der Flughäfen Schwechat und Bratislava: teuer, spät verkehrswirksam,, lukrativ für die Bauwirtschaft und weitgehend nutzlos für den Pendlerverkehr, der die A4 verstopft.
Der Bahnhof Flughafen-Wien wurde vor einigen Jahren teuer umgebaut (Fernzüge mit großer Zuglänge) und soll nun schon wieder, ein weiteres Mal, teuer umgebaut werden (vgl. S. 103) – 2.600 Millionen Euro, also wohl mit Kostenanstieg rund drei Milliarden Euro sind viel Geld, das anderswo sinnvoller eingesetzt werden würde.
Der Bereich im Nordosten von Wien: Seite 107:
Der Zeithorizont für einen Schnellbahnverkehr zwischen Erzherzog-Karl-Straße und Süßenbrunn mit 2040 ist viel zu weit in der Zukunft angesetzt (ähnliches gilt für den von Ulli Sima und Judith Engel kürzlich verkündeten Zweimal-Umsteigen-Schnellbahnring mit Zeithorizont 2040). Das ist völliger Unfug. Wir brauchen diese Projekte jetzt, und nicht in der nächsten Generation.
Dass man sowohl beim Praterkai, als auch in Hütteldorf umsteigen muss, ist grober Unsinn. Ebenso das Fehlen einer direkten Relation aus dem Raum Unter St Veit in den Nordwesten Wiens (Vorortelinie). Wir wissen natürlich, dass das Einflechten von dicht getakteten Zügen in eine dichtgetaktete andere Strecke nicht einfach ist, trotzdem: Bei diversen existierenden Schnellbahnästen schaffen wir das ja auch!!!
Bei der S80 ist das Fehlen der Haltestellen Hausfeldstraße und Lobau ein grober Fehler, der offenbar perpetuiert werden soll. Auch hier wird Geld nur in teure, langfristige, für Baukonzerne lukrative Maßnahmen (viergleisige Donauquerung) gesteckt, anstatt zB den Gleisengpass zwischen Stadlau und Erzherzog-Karl-Straße (drei statt vier Fahrgleise) rasch (!) zu beseitigen (das ginge in wenigen Monaten, und sofort wäre ein Viertelstundentakt der S80 möglich).
Im Absatz “Wirksamkeit” Ihres Dokuments wird gezeigt, dass primär ein globalisierter Ferntransport betrachtet wird, statt im regionalen und lokalen Bereich rasch Verbesserungen zu erzielen: Die Relation Simmering-Stadlau wird nicht primär im regionalen Kontext Wiens gesehen, sondern als bessere “Verfügbarkeit und Resilienz des Netzes entlang des Baltisch-Adriatischen Korridors” bezeichnet. Es stimmt schon, dass auch Güterzüge aus Polen in den Süden fahren und umgekehrt. Aber wollen wir die klimaschädliche Globalisierung und den Profit der Großkonzerne maximieren, oder eine klima- und umweltverträgliche regionale Wirtschaft fördern?
Seite 111
Der bereits in den 1990er Jahren angekündigte Lückenschluss von Laa nach Hevlin fehlt weiterhin, der Eiserne Vorhang nach Tschechien wird (ebenso wie bei der Thayatalbahn) perpetuiert. Dafür wurde ja die A5 Nordautobahn gebaut, damit der Güterverkehr auf der Straße gefördert wird. (Nein, die Strecke über Hohenau ist kein Ersatz für diese Strecke, weil eben nicht nur der Fernverkehr, sondern auch regionaler und lokaler Gütertransport und Personenverkehr relevant ist. Es ist hinlänglich bekannt, dass zwischen Laa und Hevlin nur rund 300 Meter Gleis fehlen (die exakte Distanz der Gleislücke hab ich nicht im Kopf, aber die Gleisfortsetzung ist in Sichtweite). Das wäre unglaublich rasch und kostengünstig umzusetzen, ist aber halt für Baukonzerne nicht so lukrativ. (Wurde Ihr Konzept eigentlich von Baukonzernen verfasst???)
Seite 114
Hier wird das Waldviertel, wie so oft, stiefmütterlich behandelt: Die Trasse für einen zweigleisigen Ausbau von Absdorf-Hippersdorf nach Gmünd wäre vorhanden (das zweite Gleis wurde ja einst originellerweise einfach entfernt), und man könnte (allenfalls mit einigen Begradigungen von großen Schleifen) eine attraktive Franz-Josephs-Bahn errichten. Hier wären in der Tat einige Baumaßnahmen angebracht. Stattdessen wird nur ein ganz winziger Abschnitt bei Limberg-Maissau zweigleisig ausgebaut, ohne dass vor dieser Maßnahme geklärt ist, welche Variante für die gesamte Strecke verwirklicht werden wird, und vor allem wann? (vielleicht 2050? oder 2060? oder 2070?)
Auf Seite 114 wird die Strecke nach Krems seltsamerweise als “Teil des Rhein-Donau-Korridor” bezeichnet, obwohl man die Strecke von Krems entlang der Donau bis zur OÖ Landesgrenze an NÖ verkauft hat und die NÖVOG nun den Bereich zwischen OÖ-Grenze und Emmersdorf ruiniert und die Wachau nicht mehr regulär bedient. Der Regelverkehr endet in Krems als Sackgasse, von Korridor ist hier nichts zu finden. Da haben die Studienersteller die Gegend vielleicht nicht so genau kennengelernt.
Seite 119
Auf Seite 119 fehlt die Kapazitätsauslastung von 2024. Alleine das ist bereits ein so gravierender Lapsus und Fehler, dass das ganze Konzept eigentlich zurückgeschmissen werden müsste.
Prognosen sind immer relativ willkürlich und hängen von Anfangsparametern der Simulation ab. Es wird nicht beschrieben, ob beispielsweise durch betriebliche und technische Maßnahmen (Signalabstände, Neigezüge, Züge mit verbesserter Beschleunigungsfähigkeit) verkehrswirksame, kostengünstigere Strategien wesentlich rascher umgesetzt werden könnten.
Seite 122 Seltsame Schlussfolgerungen
Auf Seite 122 wird von Einsparungen fossiler Kraftstoffe und von der Verringerung von Treibhausgasemissionen gesprochen. Dies ist vollkommen kontradiktorisch, also im Widerspruch stehend, zur massiven Förderung des Flugverkehrs durch die teuren Neubauprojekte in Zusammenhang mit den Flughäfen Wien-Schwechat und Bratislava. Ein Klimaministerium, das früher Verkehrsministerium hieß, sollte sich auch fragen, ob man eine massive Steigerung des Flugverkehrs anstrebt. Wobei nicht vereinzelte Urlaubsflüge des Mittelstandes zu kritisieren sind, sondern die Unmengen von Geschäftsreisenden, inklusive Politikern, wenn zB von Ministern und Ministerinnen unserer Bundesregierung per Privatjet in den Emiraten umweltschädliches LNG eingekauft werden soll.
Lustigerweise wird kleingedruckt in Fußnote 49 verschämt angemerkt, dass man den Flugverkehr bei der Berechnung ausgeklammert habe.
Der Schlussabsatz auf Seite 122 ist völlig absurd. Hier wird für den Zeitraum zwischen 2040 und dem Jahr 2080 (!) von einer “Einsparung” von 500 Verkehrstoten fabuliert, was einem “Geldwert” von 4,4 Milliarden Euro entspreche. Wir wissen so wenig über die Verkehrsgewohnheiten zwischen 2060 und 2080, dass solche Zahlen reine Phantasiegebilde sind, um nicht zu sagen, eine Pflanzerei.
Fehlende Elemente im Konzept Zielnetz 2040
Bereits weiter oben wurden einige kostengünstige und rasch verkehrswirksame Maßnahmen erwähnt, die im Konzept fehlen (Donauuferbahn Strudengau von der Wachau bis zur OÖ Landesgrenze, Thayatalbahn, Franz-Josephs-Bahn, Laa-Hevlin, Schnellbahnlinie S80 im Raum Wien).
Kurz sei noch erwähnt, dass das Fehlen des Schweinbarther Kreuzes (mit Schieneneinbindung in die Strecke der S2 zum Durchfahren bis Leopoldau zur U1 oder bis Floridsdorf) in Ihrem Konzept geradezu absurd ist. Offenbar verdienen die Baukonzerne dabei zu wenig. Das unsinnige Prestigeprojekt des Landes NÖ der “Ökobusse” bringt großteils Nachteile (kein Radtransport, weniger Komfort), hier sollte im direkten Einzugsbereich Wiens raschestens die Zerstörung dieses (bereits absichtlich durch Umsteigen in Obersdorf geschädigten und dann stillgelegten) Zubringers rückgängig gemacht werden.
Zuletzt als Beispiel, wo ein Schienenstrang auch als Kulturgut und Tourismusattraktion gesehen werden muss, sei hier die vom Land NÖ und den ÖBB in gemeinschaftlichem Vandalismus stillgelegte Ybbstalbahn erwähnt. Im Pinzgau sieht man, wie sogar eine Schmalspurbahn sowohl Pendlerverkehr, als auch Radtourismus und Ausflugstourismus bedienen kann. Das Land NÖ mit seiner NÖVOG und das Verkehrs-, pardon Klimaministerium sind wohl nicht imstande, den Wert solcher Strecken zu erkennen. Regionalbahnen sind halt für die Bauwirtschaft weniger lukrativ, und man kann dort nicht mit Hochgeschwindigkeit zwischen Lärmschutzwänden dahinrasen, wie der vom Klimaministerium offenbar angestrebte Trend weg von einer regionalen Wirtschaft und hin zu aufgeblähten Ballungsräumen es anscheinend als Verkehrsmodell der Zukunft anstrebt. Mit minus 500 Toten bis zum Jahr 2080, wie wir stolz verkünden können.
Ich empfehle, das vorliegende Konzept zu kübeln und ein neues Konzept zu erstellen, das nicht den Interessen der Bauwirtschaft dient, sondern ökologisch und klimafreundlich ausgerichtet ist, mit einer Relevanz für eine verstärkt geförderte regionale Wirtschaft, anstatt zwischen Lärmschutzwänden mit Hochgeschwindigkeit zwischen Großballungsräumen zu rasen.
Hochachtungsvoll
Dr. Gerhard Hertenberger
Biologe, freier Publizist
No responses yet